Steven Erikson Das Spiel der Götter 9
Gezeiten der Nacht
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»Gezeiten der Nacht« (Das Spiel der Götter 9) von Steven Erikson
Mittlerweile sind wir in Deutschland bei Band neun der herausragenden Serie . Hier wird das Schicksal der Familien Sengar und Beddict beleuchtet. Rhulad Sengar schwingt sich zum Imperator über die Tiste Edur auf. Doch er ist nur ein Sklave des verkrüppelten Gottes, der seinen Zorn und seinen Hass auf die Welt loslassen möchte. Jeder neue Tod Rhulads führt zu unendlichen Schmerzen und treibt ihn an den Rand des Wahnsinns. Einzig Udinaas, der Sklave, findet noch Zugang zum Imperator.
Während Binadas Sengar sich dem Hexenkönig Hanan Mosag anschließt, um die Letherii mit Magie zu bekämpfen, führt Forcht Sengar die Streitkräfte an. Trull steht alleine mit seinen Zweifeln und Ängsten. Indem er sie laut äußert wird er zum Paria seines Volkes. Alle Edur möchten den Krieg, sie brennen darauf, die Letherii zu vernichten und die jahrelang erlittene Schmach zu rächen. Sie verstehen nicht, dass eine Vernichtung des Feindes zu einer Veränderung der gesamten Welt führen und dunklen und machtvollen Wesen einen Weg ebnen wird.
Zu den Tiste Edur gesellt sich Hull Beddict . Er verrät dem Imperator alle Geheimnisse und Taktiken der Letherii. Das Ende dieses Weges kann nur aus Verzweiflung bestehen. Hull Beddict steht sein Bruder Brys gegenüber, der als Kämpe des Königs diesen mit seinem Leben verteidigen wird. So wird aus dem Krieg der beiden Völker auch ein Kampf Bruder gegen Bruder. Einzig Tehol Beddict scheint vom Krieg unberührt. Er zieht weiter seine Fäden im Geheimen und hat mit Bagg, Shurq Elalle. Kessel und Ublala merkwürdige Verbündete. Doch er hat sich auch mächtige Feinde gemacht und Gerun Eberict ist dem Mann auf dem Dach schon auf der Spur.
Kommentar:
Das Buch beginnt, zur Freude des Lesers, mit einem humorvollen Disput zwischen Tehol und Bagg. Beide sind sehr ambivalente Charaktere mit unauslotbaren Tiefen. Nicht einmal Brys kann die Denkweise seines Bruders nachvollziehen oder dessen Pläne erkennen. Tehols Gedanken sind wie ein Labyrinth. Folgt man den verschlungenen Pfaden, steht man stets vor einer Sackgasse. Seine scheinbar offene, freundliche, naive und herzliche Art täuscht seine Gegner, seine offensichtliche Armut ist sein Schild gegen Angriffe aller Art. Doch seine Pläne sind umfassend und weitreichend, sein Anliegen edel und selbstlos. Tehol und Bagg sind das Herzstück dieses Handlungsstrangs und bringen den Leser immer wieder zum Lachen.
Das muss auch so sein, den die Beschreibungen des Krieges sind verstörend brutal . Er wird mit Magie geführt, doch die Tiste Edur wissen nicht, auf was sie sich eingelassen haben. Die einmal entfesselte Magie kann kaum nicht kontrolliert werden und vernichtet ganze Heere innerhalb von Minuten. Sie ist eine Respektlosigkeit gegenüber dem Leben. Dies ist kein ehrenvoller Kampf mehr, Mann gegen Mann, dies ist ein grauenvolles Hinrichten tausender Unschuldiger. Die Verdrehung ihrer Vergangenheit hat bei den Edur zu Unwissenheit geführt. Geheimnisse und Kenntnisse über Magie gingen in den Lügen ihrer verdrehten Geschichte verloren und so bemerken sie nicht, welchen Schaden sie durch die Verwendung dieser Magie anrichten.
Das Schicksal Kessels berührt den Leser . Die Seele eines kleinen Mädchens verbunden mit einer Fokrul Assail Seele, ausgewählt durch das Azath Haus , um einer unsterblichen Seele zu helfen. Ein totes Kind, ohne Erinnerung an ein eigenes Leben und eine Mörderin tausender Seelen, vereint im Körper eines Kindes.
Eine weitere Hauptfigur ist der Sklave Udinaas . Er findet als einziger Zugang zu Rhulad. Sklave und Imperator, zwei Seiten einer Medaille. Denn auch Rhulad ist nichts weiter als ein Sklave. En Sklave des verkrüppelten Gottes, der den jungen Mann wie eine Marionette benutzt, ihn als Werkzeug seiner Rache auserkoren hat. Nur ein Sklave kann verstehen, was es bedeutet, der Willkür eines anderen hilflos ausgesetzt zu sein, ohne Macht, sich dagegen zu wehren.
Die Freisprecherin Seren Pedac trifft auf Mitglieder der Karmensingarde , die auf Lether gestrandet sind. Die Gewirre funktionieren nicht mehr richtig und so finden die Truppe keinen Weg nach Hause. Ihr Anführer, Eisenhart, nimmt sich der jungen und verzweifelten Frau an. Der Magier der Truppe erkennt das in Seren schlummernde Talent, ein Gewirr zu nutzen und lehrt sie den Gebrauch dieser Magie. Schon bald muss Eisenhart in die Kämpfe, auf einem ihm fremden Kontinent, eingreifen. Er verfügt über ein kämpferisches Geschick, vor dem sogar die Götter zurückweichen müssen.
Für den Leser stellt sich letztendlich die Frage, was passiert mit den Tiste Edur, wenn sie siegen? Ihre Lebensweise und Lebenseinstellung widerspricht der der Letherii. Es gibt keinen Konsens. Die Edur leben vom Reichtum der Natur, Gold ist in ihren Augen unnütz, es wird den Toten mitgegeben, weil es für sie im Leben keinen Zweck hat. Die Letherii hingegen beten das Gold an. Reichtum bedeutet bei ihnen Macht. Was soll ein Volk der Steppen, Wälder und Eiswüsten in einer steinernen und stinkenden Stadt.? Es ist abzusehen, dass sich ihr Leben grundlegend ändern wird und nur Trull erkennt diese Gefahr. Schon einmal hat sein Volk durch eine Lüge seine Seele verloren. Nun wird die so genannte Zivilisation die Tiste Edur erneut auf einen falschen Pfad führen.
Für mich ist es das beste Fantasy Gesamtwerk, das bisher veröffentlicht wurde. Es ist grandios , vielfältig und beeindruckend, Es ist erstaunlich, wie der Autor immer wieder neue und glaubwürdige Charaktere entwickelt, die den Leser faszinieren. Mit dem Ende dieses Bandes wird ein Bogen zu den vorherigen Handlungssträngen geschlagen und ich hoffe, dass es fesselnd weiter geht wie bisher.
Diese High Fantasy ist nichts für Leser, die eine strukturierte Geschichte mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende mögen . Vorzugsweise mit Happy End. Dieses Werk ist episch, die Handlungsstränge scheinen unendlich und oft verliert man, auch als begeisterter Fan, etwas den Überblick. Aber ich vertraue dem Autor, dass am Ende ein faszinierendes Gesamtwerk entsteht, das man in Ruhe erneut lesen kann. Denn erst beim zweiten Lesen erschließen sich die kleinen Details und Hinweise, man kann den Nebenpfaden mehr Aufmerksamkeit widmen und entdeckt plötzlich Dinge, denen man beim ersten Lesen nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt hat.
Die neue Ausgabe von Blanvalet gefällt mir wesentlich besser , die Pastelltöne der Cover wirken dezent, die Zeichnungen prägnanter . Dass man bei diesem Band allerdings gemeint hat, bei GoT abkupfern zu müssen, nehme ich dem Verlag übel. Dieses Werk ist mehr, als GoT je sein wird. Zumal wir hier einen Autor haben, der seine Leser ernst nimmt und sein episches Werk beendet, während Martin seine Leser schon jahrelang auf einen weiteren Band warten lässt.
Fazit:
Ein wahres Meisterwerk , fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite. Meines Erachtens gibt es nicht vergleichbares auf dem breitgefächerten Markt der Fantasy.