Smith, C. A. H.P.Lovecrafts Bibliothek des Schreckens 5
Necropolis
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»Necropolis« (H.P.Lovecrafts Bibliothek des Schreckens 5) von Smith, C. A.
Im Schatten einer Legende zu stehen ist für einen Schriftsteller
ein äußerst unbefriedigender Zustand. Wenn diese Legende
auch noch Howard Philipps Lovecraft heißt, dann kommt das meist einer
Bankrotterklärung gleich. Dass dies jedoch nicht gerecht ist, kann
man an Clark Ashton Smith überdeutlich sehen.
Smith, "Weird Tales"- Autor und langjähriger Freund Lovecrafts
und Ron E. Howard (der Erfinder von Conan), ist selbst unter Kennern der
Phantastik weniger für seine Kurzgeschichten, als für seine Freundschaften
zu berühmten Kollegen bekannt. Deshalb verdient der Band "Nekropolis"
(Festa-Verlag) besondere Aufmerksamkeit, da hier in einer hervorragenden
Aufmachung und mit detaillierter Kenntnis, einige der besten Kurzgeschichten
von C.A. Smith dem deutschen Phantastikfreund nähergebracht werden.
Das Buch ist in zwei Teile gegliedert: Nach einer Vorbemerkung und einer
Kurzbiographie, gibt Frank Festa einen Überblick über die Werkzyklen
und führt den Leser geschickt in die Dark Fantasy Welt ein. Ein Gedicht
von Lovecraft, das er seinem Freund Smith gewidmet hat, schließt den
eher theoretischen Teil, der aber an keiner Stelle langweilig ist. Die folgenden
sieben Geschichten spielen unter der sterbenden Sonne von Zotique, einer
Fantasy Welt, die durchdrungen ist von Auflösung, Tod und Verwesung.
In den durchaus ungewöhnlich sexuell freizügigen (geschrieben
um 1930 in USA!) Geschichten dreht sich alles um Abenteuer in dieser
Welt, die nicht nur von Menschen bevölkert wird. Man findet jedoch
keine Elfen vor - in Zotique leben beispielsweise Nekromanten, Totenbeschwörer,
welche ihre unheilige Magie für ihre eigenen Zwecke misbrauchen. Auch
gibt es Ghoule, Leichenfresser, die sich durchtriebene Methoden ausgedacht
haben, um an das halbwegs frische Menschenfleisch zu kommen - doch ich will
nicht zuviel verraten, nur eines darf noch gesagt werden: Die Schilderung
dieser verkommenen Welt gelingt Smith hervorragend und mag auch die Übersetzung
den ein oder anderen kleinen Schnitzer haben, so überzeugen die Geschichten
auf ganzer Linie.
Der nächste Zyklus ist der Phantastik im engeren Sinne zugeordnet,
d.h. in eine real geschilderte Welt (ohne Fantasy Einfluss) bricht das Grauen
ein. Unter diesen acht Geschichten ragen zwei besonders heraus: "Genius
Loci" und "Mutter Kröte".
"Genius Loci" schildert auf stilistisch hohem Niveau die spannende
Verlockung eines Malers durch eine faulige Sumpfwiese mit Erlen, welche
von einem unnennbaren Spuk heimgesucht wird. Unglaublich spannend und verstörend
geschrieben, ist diese Geschichte ein weitegehend unentdeckt gebliebenes
Kleinod des Genres. Spätestens an dieser Stelle war ich davon überzeugt,
dass dieses Buch in jede gut sortierte Phantastiksammlung gehört.
Den letzten positiven Ausschlag für diese Empfehlung gab die Kurzgeschichte
"Mutter Kröte". In ihr erzählt Smith von einem jungen
Mann, der von einer krötenartigen Hexe per Liebeszauber gezwungen wird,
mit ihr zu schlafen. Die furchtbare Beschreibung der Körpers der Hexe,
sowie die Schilderung des Koitus (man beachte den erschlafften Zustand der
Kerzen am Morgen danach...) gehören zur Äthetik des Hässlichen
und sind mit das Beste, was in dieser Richtung geschrieben wurde (einzig
Clive Barkers Blutsbücher können da mithalten).
Frank Festa ist es gelungen, mit Hilfe von einfühlsamen Übersetzern,
ein Buch in seinem neugegründeten Verlag herauszubringen, dass wert
ist, es jedem Phantastik Freund wärmsten ans Herz zu legen. Diese Sammlung
wird man noch lange nach der Lektüre nicht vergessen haben. Besonders
erfreulich ist die Tatsache, dass es sich bei diesem Buch um eine Kurzgeschichten
Anthologie handelt, denn diese Form wird leider zu oft von Romanen in den
Hintergrund gedrängt, obwohl sich gerade in der Short-Story (man denke
nur an Poe) die besten Leistungen der Phantastik finden lassen. Wenn dies
auch noch derart liebevoll aufgemacht und mit großer Kenntnis der
Hintergründe versehen wurde, kann man sich zu einem Kauf nur selbst
gratulieren - lieber Frank Festa: mehr Kurzgeschichten auf diesem Niveau
bitte!!!
Meine Wertung 9/10