George R.R. Martin Das Lied von Eis und Feuer 1
Die Herren von Winterfell
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»Die Herren von Winterfell« (Das Lied von Eis und Feuer 1) von George R.R. Martin
Eddard (Ned) Stark ist der Herrscher über den nördlichsten Teil der sieben Königslande. Er lebt mit seiner Frau Catelyn, seinem Bastard Jon Schnee und den ehelichen Kindern Robb, Sansa, Arya, Bran und Rickon sehr zurückgezogen auf Winterfell. Obwohl er zusammen mit seinem Freund, König Robert Baratheon, vor fünfzehn Jahren den eisernen Thron der Targaryens erobert hat, weiß Ned heute kaum etwas darüber, was am Hof in Königsmund vor sich geht.
Das ändert sich schlagartig, als die "Hand des Königs" - der zweitwichtigste Mann im Reich - unter etwas seltsamen Umständen verstirbt. Robert reist nach Winterfell und ernennt Eddard zur neuen Hand. Ned bricht mit seinen Töchtern Sansa und Arya nach Königsmund auf und muss sich in Zukunft mit all den Dingen beschäftigen, die er aus tiefstem Herzen verabscheut: Ränke, Intrigen, Verrat .
Und obendrein neigt sich noch der Sommer dem Ende zu, was bedeutet, dass womöglich ein sehr langer Winter bevorsteht, der auf dem Kontinent Westeros mehrere Jahre, im schlimmsten Fall mehr als ein Jahrzehnt, andauern kann.
Und die letzten Nachfahren der ehemaligen Könige der sieben Königslande, Viserys und seine Schwester Daenerys Targaryen , werden allmählich erwachsen und stellen eine ernstzunehmende Bedrohung für Roberts Herrschaft dar.
"Das Lied von Eis und Feuer" ist natürlich jedem Fantasy-Fan ein Begriff, auch ich hatte schon einiges über diese Saga gehört. Abgeschreckt hat mich bisher allerdings, dass es schon so viele Bücher gab und dass die Saga so oft mit Tolkiens "Herr der Ringe" verglichen wird - bis ich die erste Staffel der Fernsehserie "Game of Thrones" gesehen habe. Die Serie hat mich so sehr angesprochen, dass sofort klar war: Diese Bücher muss ich haben!
Nachdem ich nun den ersten Band gelesen habe, gibt es zwei positive Dinge festzustellen: Zum ersten hält die Fernsehserie sich erfreulich genau an die Buchvorlage, und zum zweiten war das erste Buch spannend, fesselnd, phantasievoll - es hat meine Erwartungen voll und ganz erfüllt.
Die Welt, die George R. R. Martin für seine Saga erschaffen hat, ist einerseits fremdartig und aufregend, aber andererseits so nah am englischen Mittelalter, dass ich mich als Historienfan sofort heimisch fühlte. Einige Fantasy-Elemente sind vorhanden, es gibt beispielsweise Schattenwölfe und Drachenskelette (die Targaryens eroberten und einten die sieben Königslande in grauer Vorzeit ohne Armee - stattdessen mit ihren Drachen), aber diese Details werden wohldosiert in die Erzählung eingeflochten. Daher denke ich, dass auch Einsteiger oder Gelegenheits-Fantasyleser mit diesem Buch voll auf ihre Kosten kommen.
Sehr interessant ist die Machtstruktur, die der Autor für seine Welt verwendet: König Robert herrscht über die sieben Königslande . Diese setzen sich zusammen aus dem Norden (Familie Stark), dem grünen Tal (Arryn), den Eiseninseln (Graufreud), der Weite (Tyrell), Dorne (Martell), den Sturmlanden (Baratheon) und den Westlanden (Lennister).
Diese sieben Familien sind die wichtigsten des Reiches. Jede hat ein eigenes Wappensymbol und ihre "Worte" (eine Art Familienmotto oder Wappenspruch). Beispielweise haben die Starks auf ihrem Wappen einen Schattenwolf (seltene Tiere, die es nur sehr weit im Norden gibt) und ihre Worte lauten "Der Winter naht" , die Baratheons verwenden dagegen einen gekrönten Hirschen mit den Worten "Unser Ist Der Zorn" . Die Kombination aus Wappentier und Sinnspruch ist generell sehr passend ausgewählt und sagt schon viel über die Familien aus.
Mich erinnert dieser Aufbau stark an das englische Mittelalter: König Robert als Lehnsherr, die Oberhäupter der einzelnen Familien entsprechen den englischen Earls und sind wiederum die Lehnsherrn kleinerer Adliger. Größere Verfehlungen ziehen schwere Strafen wie Tod oder Verbannung nach sich und die Ländereien fallen zurück an den jeweiligen Lehnsherren, der sie neu vergeben darf.
Die Erzählweise Martins hat mich sehr angesprochen: Die einzelnen Kapitel tragen jeweils den Vornamen eines der Protagonisten, die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Ned, Catelyn, Sansa, Arya, Jon Schnee, Tyrion Lennister und Daenerys Targaryen erzählt. Dadurch ist die Handlung einerseits abwechslungsreich, weil mit einem Wechsel der Person auch oft ein Wechsel des Schauplatzes einhergeht, und dennoch übersichtlich, weil man schon nach kurzer Zeit so in dieser Erzählweise zuhause ist, dass man schon beim Lesen der Kapitelüberschrift weiß, welcher Handlungsstrang fortgesetzt wird.
Zu Beginn hatte ich erwähnt, dass ich mich an diese Reihe aufgrund der Vergleiche mit "Herr der Ringe" nicht herangetraut habe. Dazu sei noch gesagt, dass ich die drei Herr-der-Ringe-Filme gerne gesehen habe. Als ich es jedoch mit dem Buch versucht habe, bin ich selbst beim fünften Anlauf noch kläglich gescheitert. Da ich die Handlung zumindest grob aus den Filmen kenne, kann ich mir schon vorstellen, was viele Fans so sehr an der Geschichte fasziniert. Ich persönlich konnte mich aber mit Tolkiens Erzählstil, den ich unglaublich langatmig fand, und der ellenlangen (meiner Meinung nach völlig uninteressanten) Vorgeschichte überhaupt nicht anfreunden. Bis zur eigentlichen Geschichte habe ich es also nie geschafft und einen weiteren Versuch werde ich auch nicht mehr unternehmen.
"Das Lied von Eis und Feuer" wirkt auf mich ganz anders. Martins Stil ist soviel frischer, moderner, spannender und fesselnder als Tolkiens. Er langweilt den Leser nicht über zig Seiten mit Vorgeplänkel und Stammbäumen sondern steigt direkt in die Handlung ein und erklärt nach und nach geschichtliche, geografische oder familiäre Zusammenhänge - genau dann, wenn der Leser es wissen muss und nicht vierhundert Seiten vorher.
Vielleicht motiviert das ja den ein oder anderen "Herr der Ringe" -Verweigerer dem "Lied von Eis und Feuer" trotz der immer wieder herangezogenen Tolkien-Vergleiche eine Chance zu geben.
Die Aufmachung der Bücher ist sehr ansprechend, der Blanvalet-Verlag hat kein normales Taschenbuch gewählt, sondern ein etwas größeres Softcover-Format. Auf der Innenseite des aufklappbaren Umschlags sind die notwendigen Karten des Kontinents Westeros aufgedruckt - alles in allem relativ aufwendig, was sich auch im stolzen Preis von 15 Euro niederschlägt.
Mit diesem Preis hätte ich an sich noch nicht mal ein Problem, dazu kommt allerdings noch, dass die Originalbücher für die deutsche Übersetzung gesplittet wurden. Daraus ergibt sich von selbst, dass man das Ende von "Die Herren von Winterfell" als merkwürdig empfindet, da es eben kein Ende ist, sondern einfach circa die Mitte des Originalbandes "A Game of Thrones" .
Man wird als Leser schon stutzig, wenn man "A Game of Thrones" ab 6 Euro in deutschen Onlineshops bekommen kann, während man für denselben Inhalt in deutscher Sprache 30 Euro hinblättern muss. Noch deutlicher wird dieser Kritikpunkt, wenn man bedenkt, dass es sogar eine Box mit den ersten vier englischen Büchern für nur 17,95 Euro gibt (vier englische Bücher kosten nur zwei Euro mehr als ein deutsches?!) - die entsprechenden acht deutschen Bände kosten dagegen 120,- Euro - mehr als das Sechsfache! Da kann man sich des Eindrucks, dass der deutsche Leser hier schlicht abgezockt wird, kaum erwehren.
Rein inhaltlich bekäme "Die Herren von Winterfell" von mir eigentlich 4,5 Sterne - für die Splitting- und Preispolitik von Blanvalet ziehe ich allerdings einen halben Stern ab. Eigentlich ist dieser halbe Stern zu wenig, aber ich bin zu sehr von dieser Saga begeistert, deswegen bringe ich es nicht fertig, dieses Buch mit weniger als vier Sternen zu werten - vor allem da der Autor sicher ziemlich wenig Einfluss auf die Preispolitik eines deutschen Verlages hat und daher keine drastische Abwertung seines Werkes aus diesem Grund verdient hat.