Dustin Thomason
Virus
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»Virus« von Dustin Thomason
Die aus Guatemala stammende Maya-Expertin Chel Manu bekommt von einem Hehler einen alten Maya-Kodex anvertraut, der eigentlich gar nicht existieren dürfte. Chel riskiert ihren Job, weil sie den eindeutig gestohlenen Text überhaupt in Verwahrung nimmt, doch dieses alte Schriftstück könnte einen Durchbruch in ihren Forschungen darstellen - sie kann sich diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen.
Ins East L.A. Presbyterian Hospital wird ein todkranker Mann eingeliefert, mit dem das Personal nicht kommunizieren kann - er scheint aus Mittelamerika zu stammen und spricht eine seltene Sprache, die niemand versteht. Dr. Thane, seine engagierte, junge Ärztin, vermutet aufgrund seiner Symptome eine seltene Prionenerkrankung und zieht den Spezialisten Gabe Stanton hinzu. Als schließlich die Herkunft des Mannes aufgedeckt wird, bittet die Klinik Chel als Dolmetscherin zu fungieren.
Das eigentlich Unmögliche passiert: Die Prionenerkrankung ist eine Erbkrankheit, doch als Patient 0 stirbt, gibt es bereits Unzählige mit denselben Symptomen.
Wie kann eine Erbkrankheit so hochansteckend werden, dass in kürzester Zeit eine Pandemie droht? Liegt die Lösung im alten Maya-Kodex?
"Virus" ist im November pünktlich zum bevorstehenden Ende des Maya-Kalenders erschienen und trifft hier natürlich den Nerv aller, die einen leichten Hang zu Verschwörungstheorien und Weltuntergangsszenarien haben - also auch meinen. Als ich die Vorstellung des Buches auf der Lübbe-Homepage gesehen und die Leseprobe gelesen hatte, war klar, dass dieser Titel in meine Sammlung muss.
Die Handlung wird in zwei Strängen erzählt: Der eine spielt in der Gegenwart und beschäftigt sich mit Dr. Stanton und Chel Manu, die verzweifelt versuchen, eine weltweite Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Der andere spielt in der Vergangenheit und beinhaltet die Teile des alten Kodex, die Chel bereits entschlüsseln konnte. In ihm erzählt Paktul, ein königlicher Schreiber, von den letzten Tagen der Hochkultur der Maya.
Der Handlungsstrang der Gegenwart ist in je einen Abschnitt pro Tag gegliedert, der erste ist der 11. Dezember und der letzte -natürlich!- der 20. Dezember 2012. Die Passagen von Paktul werden in kleinen Portionen zwischen die Gegenwarts-Kapitel eingefügt.
Mir haben die Maya-Rückblenden noch besser gefallen als der gegenwärtige Handlungsstrang. Ich lese auch gerne historische Romane, insofern haben diese Passagen meinen persönlichen Geschmack voll getroffen - vor allem weil ich über die Maya recht wenig weiß (abgesehen von dem was ich ein paar Fernseh-Dokus über versunkene Maya-Städte und den berühmten Kalender aufgeschnappt habe). Insofern war mir der Anteil von Paktuls Geschichte fast zu klein, ich hätte mehr davon lesen wollen.
Trotzdem ist auch der zweite Teil des Buches um Gabe Stanton und Chel Manu spannend und definitiv lesenswert. Dustin Thomason hat Medizin studiert, und daher und auch aufgrund seiner Anmerkungen am Ende des Buches (denen übrigens auch zu entnehmen ist, welche Details der Handlung wissenschaftlich untermauert und welche frei erfunden sind) schließe ich, dass die medizinischen Details der Handlung gut recherchiert sind. Trotzdem gleitet der Autor nicht in seitenlanges Fach-Chinesisch ab, bei dem der Leser automatisch abschalten oder das Buch weglegen würde, sondern transportiert die nötigen fachlichen Informationen auch für Laien gut verständlich und interessant aufbereitet.
Es gibt drei Protagonisten, Dr. Gabe Stanton und Chel Manu auf der einen und Paktul auf der anderen Seite. Gegen Paktul wirken die beiden modernen Figuren leider ein wenig blaß, besonders Dr. Stanton kam mir nicht so richtig nahe. Er ist ein vegan lebender Gesundheitsapostel mit Hang zum Missionieren. Ein Lebensstil, mit dem ich absolut nichts anfangen kann, und der mir desöfteren mal ein genervtes Augenrollen entlockt hat. Da wurde ich dann doch eher mit Chel warm, die sich ein paar Mal am Tag eine Zigarette gönnt und trotz aller Skrupel ihre Finger nicht von diesem verführerischen Kodex lassen kann, obwohl sie damit ihre Karriere aufs Spiel setzt. Das beweist zumindest, dass es ihr wichtiger ist zu forschen und neues über ihr Volk ans Licht zu bringen, als ihre Schäfchen im Trockenen zu haben.
Ein Kompliment geht an den Lübbe-Verlag für die schöne Aufmachung des Buches. Das Cover ist schon ein richtiger Eyecatcher, aber auch innen ist das Buch wunderschön gestaltet. Da gibt es dann auch mitten im Text mal eine Karte zur besseren Orientierung und zwischendurch werden auch immer wieder Glyphen aus dem Kodex abgebildet, die völlig anders aussehen als beispielweise ägyptische Hieroglyphen. Da fragt man sich beim Lesen automatisch, wie es überhaupt möglich war, diese Bilderschrift zu entschlüsseln.
Alles in allem hat mir das Buch richtig gut gefallen: Es war interessant, spannend und es hat mich auf ein Thema gestoßen, zu dem ich mir jetzt mehr Lektüre besorgen werde (ich meine allerdings nicht den Weltuntergang, sondern die Maya).
Ich habe "Virus" übrigens genau am 21. Dezember beendet, als weltuntergangsmäßig sozusagen noch alles offen war - der Reiz ist nun natürlich nicht mehr gegeben, aber trotzdem bekommt der Leser hier ein anspruchsvolles Buch, und definitiv auch einen Thriller, wenn er auch ohne Blutbad und Gemetzel auskommt.