Nora Melling Schattenblüte 2
Die Wächter
Buchlisten
»Die Wächter« (Schattenblüte 2) von Nora Melling
Luisa und Thursen könnten endlich glücklich sein. Thursen ist wieder Mensch, die beiden haben sich ihre Liebe gestanden. Dies sollte Luisa weit genug in der Wirklichkeit verankern, um endlich ihren kleinen toten Bruder vergessen zu können. Leider scheint es für Werwölfe kein Happy End zu geben:
Luisas Mutter ist ausgebrannt und lässt sie allein zurück, um ihre eigenen psychischen Wunden zu heilen. Ihr Vater versucht, eine neue Familie zu finden und alles einfach zu vergessen. In der Schule ist sie ein Außenseiter. Thursen, für den sie alles aufgegeben hätte, scheint sich immer mehr zu verschließen und verbringt wieder Zeit im Wald. Hat er sein Werwolfsdasein tatsächlich aufgegeben? Kann Luisa ihn überhaupt halten? Und ist Luisa selbst nicht viel mehr der Zwielichtwelt als der Menschenwelt verhaftet?
Da lernt sie Elias kennen und hilft ihm aus einem Impuls heraus bei einer U-Bahnprügelei. Elias bringt sie dazu, ihre Ängste zu bekämpfen. Er lädt sie zu sich nach Hause ein, als sie nicht mehr weiß wohin, und spendet ihr Trost. Doch auch er ist nicht, was er zu sein vorgibt. Luisa muss sich entscheiden: Elias oder Thursen, Mensch oder Wolf, Vergebung oder Rache?
Werwölfe in Berlin- unerkannt unter den Menschen. Nur wenige sind eingeweiht, und eine davon ist Luisa. Immer noch hadert sie mit ihrem Schicksal, mit den Menschen, mit der Welt. Man wird tief in ihre Gefühlswelt eingebettet und erlebt aus ihrer Sicht mit, wie sich die Werwölfe weiterentwickeln, aber auch, wie sie von den Umständen durch das Leben geworfen wird.
Der erste Schattenblüte-Band zeichnete sich durch eine tiefgehende Melancholie aus, da Luisa in der Trauer um ihren gerade erst an Krebs gestorbenen Bruder gefangen war. Die Wölfe boten ihr einen Halt, da niemand fragte und sie als das akzeptiert wurde, was sie war. Da so viele aus dem Rudel sie kannten und mochten, wundert es mich sehr, dass sie so feindselig empfangen wurde. Norrick scheint keinerlei Gewalt über sein Rudel zu haben, Thursen wird immer noch als eine Art Anführer empfunden. In einem Moment wollen die Wölfe Luisa schwer verletzen, im nächsten sind sie beste Freunde und sie krault und füttert sie. Das erschien mir stark inkonsequent. Ich habe auch nicht verstanden, wie das Rudel so schnell wachsen konnte. Ich dachte, nur Selbstmörder bzw. Leute, die mit dem Leben abgeschlossen haben, können Wölfe werden?
Der Zauber aus dem ersten Band ist etwas verflogen. Die Wölfe waren geheimnisvolle Schattenwesen, deren genauer Hintergrund zumindest aus meiner Sicht keiner näheren Erklärung bedurfte. Zu viel Hintergrund kann eine Geschichte ebenfalls kaputt machen.
Das Buch ist abwechselnd aus Luisas und Elias Sicht geschrieben, wobei es letzteres kaum bedurft hätte. Im Grunde wird die Geschichte nur mit leicht verschobener Perspektive erzählt. Ich weiß ohnehin noch nicht so genau, was die Shinanim genau darstellen. Was wollen sie von den Wölfen? Diese sind ja ebenfalls eine Art Grenzwächter und beschützen die Welt vor denen auf der anderen Seite. Ihre Art ist etwas brutaler, aber durchaus verständlich. Luisa hätte an irgendeiner Stelle mal den Mund aufmachen und die Vendetta erklären können, dann hätte es vermutlich weniger Blutvergießen gegeben.
Ohnehin waren Thursen und Luisa für angeblich Schwerverliebte, die sich grenzenlos vertrauen, ziemlich schweigsam. Rudelgesetz hin oder her, Luisa hat praktisch mit den Wölfen gelebt und hätte zumindest ein paar erklärende Worte verdient.
Insgesamt liegt der Fokus des Romans stark auf Luisas Gefühlen und Erlebnissen, erst im letzten Teil gibt es ein wenig Action. Im ersten Teil hat mich die Atmosphäre gefangen genommen, auch da Luisa ihr glaubhaft ausgeliefert war. In der Handlung dieses Romans hätten ein paar klärende Worte schon mal Recht viele Probleme lösen können.
Ich weiß noch nicht so ganz, in welche Richtung die Geschichte noch gehen soll- nur dass es eine andere als die im ersten Band eingeschlagene ist. Da mich der erste Band in seinen Bann geschlagen hat und mir der zweite immer noch gut gefallen hat, werde ich auf jeden Fall auch den dritten lesen. Das Ende ist ein ziemlich übler Cliffhangar, allerdings entgeht mir ein wenig die Brisanz, immerhin ist der Name, und somit der Schlüssel, bekannt.
Insgesamt würde ich beide Romane eher Lesern von introspektiven, gefühlsbetonten Romanen empfehlen. Die Werwolfgeschichte wird von einer anderen Seite aufgerollt, wer blutrünstige Wölfe will, ist (größtenteils) völlig fehl am Platze.