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George Mann

Osiris Ritual

  • Autor:George Mann
  • Titel: Osiris Ritual
  • Serie:
  • Genre:SF
  • Einband:Taschenbuch
  • Verlag:Piper
  • Datum:01 Februar 2012
  • Preis:16,99 EUR

 
»Osiris Ritual« von George Mann


Besprochen von:
 
Detlef V.
Deine Wertung:
(4)

 
 
Ein Frauenmörder treibt in London und Umgebung sein Unwesen. Mehr als ein halbes Dutzend Frauen sind ihm schon zum Opfer gefallen. Da ein Teil der Frauen nach einer Magierschau verschwanden und dann tot aufgefunden wurden, gerät der Illusionist Alfonso unter Verdacht. Veronica Hobbes macht es sich zur Aufgabe den Illusionisten zu überführen. Dabei würde sie gerne die Hilfe ihres Chefs Sir Maurice Newbury in Anspruch nehmen. Aber Sir Newbury ist gerade mit zwei anderen Vorfällen beschäftigt und kann Miss Hobbes daher nur halbherzig unter die Arme greifen.

Newbury selber erhält von der Königin den Auftrag den Agenten der Krone William Ashford am Londoner Bahnhof in Empfang zu nehmen. Das Ashford bereits vor ein paar Jahren offiziell verstorben ist und nach (!) seinem Tod nach Russland abkommandiert wurde erfährt Sir Newbury erst, nachdem Ashford nicht am Bahnhof erscheint. Das Abteil in dem Ashford sitzen sollte riecht eigenartigerweise stark nach Verwesung. Sir Newbury ist erst mal ratlos.

Zu seinem zweiten, parallel verlaufenden, Fall kommt er auf Bitten seines alten Freundes und Scotland Yard Inspectors Sir Charles Bainbridge. Der Archäologe, Forscher und Philanthrop Lord Henry Winthrop, der in einer öffentlichen Zurschaustellung den Sarg einer altägyptischen Mumie geöffnet hat, ist auf schreckliche Weise ermordet worden. Da Sir Newbury ein geladener Gast und somit Zeuge der Sargöffnung wurde, vermutet Sir Bainbridge das er eventuell etwas zur Lösung des Mordes beitragen kann. Sir Newbury entschließt sich seinem alten Freund bei der Ermittlung zu helfen.

Das alle drei Fälle dennoch irgendwie zusammenhängen und ausgerechnet von den „Geistern der Krone“ eröffnet wurden, hätten sich Sir Bainbridge, Sir Newbury und Miss Hobbes vermutlich nicht träumen lassen.

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Jeder, der bereits den ersten Teil der Reihe gelesen hat, weiß, dass der Autor es geschickt versteht mit den (phantastischen) Erwartungen der Leser zu spielen. Das Buch beginnt mit der Öffnung des Sarges und der Entdeckung, dass der in ihm liegende Mensch bei lebendigem Leibe mumifiziert wurde. Da sein Gesicht auch nach all den Jahrhunderten erkenntlich von Schmerz und Entsetzen gezeichnet ist, bekommt er in der Presse den Namen - die kreischende Mumie -. Als kurz danach der Öffner und „Schänder“ des Sarges, Lord Winthrop, auf grausame Weise ermordet wird, kann man als Leser schnell auf den Gedanken kommen hier den 20sten Aufguss des Buches – Der Fluch der Mumie – vor sich liegen zu haben. Auch ohne zu spoilern kann ich verraten, dass dem nicht so ist. Genau wie in seinem ersten Buch wird schnell klar, dass es sich um einen ganz ordinären Mord handelt. Begangen von einem Wahnsinnigen auf der Suche nach Unsterblichkeit, ohne den Aspekt irgendeines übernatürlichen Phänomens.

Der ganze Aufbau des Buches, genau wie übrigens auch bei seinem Vorgänger, ist nicht ganz neu. 2002 hat Charles Sheffield das Buch Der wundersame Dr. Darwin geschrieben (das ich hier auch empfehlen möchte). Genau wie bei den Hobbes und Newbury Büchern von Mann, erscheint das Geschehen zunächst von übernatürlichen und phantastischen Mächten initiiert worden zu sein. Erst durch die weiteren Ermittlungen der Protagonisten stellt sich heraus, dass nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Der Schimmer des Übernatürlichen verblasst und enthüllt ganz ordinäre und menschliche Motive und Täter. Nicht immer, wenn etwas unglaublich erscheint, muss auch etwas Phantastisches der Auslöser sein. So auch in diesem Buch.

Das vorliegende Buch gefällt mir, wenn ich es mit dem ersten Band vergleiche, erheblich besser. Die Atmosphäre ist dichter, der Flair der Jahrhundertwende greifbarer und die Handlungsträger wirken nicht mehr so steif und unnahbar. Die Laudanumsucht von Sir Newbury entpuppt sich nun als erstzunehmendes Problem, auch die Beziehung zu seiner Assistentin Veronica Hobbes bekommt Risse. Natürlich ist er immer noch in sie verliebt, aber seit er entdeckt hat (ohne ihr Wissen) das sie ebenfalls Agentin der Krone ist, ein Sachverhalt der sich am Ende des ersten Buches bereits angedeutet hat, weiß er nicht mehr inwieweit er Miss Hobbes noch trauen kann. Aber auch Miss Hobbes ist sich ihres Verhältnisses zu Sir Newbury nicht mehr sicher. So befürchtet sie, dass es zu Problemen kommen kann wenn sie einerseits die Assistentin spielen soll, andererseits aber im Auftrag der Königin dafür zu sorgen hat das ihr Chef nicht, wie es seinem Vorgänger Aubrey Knox ergangen ist, vom Okkulten, zu dem sich Sir Newbury hingezogen fühlt, übermannt und negativ verändert wird. Hier deuten sich ernsthafte Probleme an.

Was mir an der Geschichte immer wieder auffällt ist der starke Unterschied im Technikniveau. Man ist durchaus in der Lage, die Königin mit einer künstlichen Lunge am Leben zu erhalten oder die Augen von Menschen durch mechanische Geräte zu ersetzen – die auch ihre Aufgabe einwandfrei erfüllen. Der Höhepunkt jedoch ist, wenn Menschen durch eine Art von Bionik zu einem „Etwas“, halb Mensch halb Maschine, verändert werden. Einer dieser Menschen spielt eine tragende Rolle in der Geschichte. Auf der anderen Seite jedoch ist man (noch) nicht in der Lage einen halbwegs funktionierenden Motor zu konstruieren. Die, in dieser Hinsicht, fortgeschrittenste Technik ist derart, dass man Motorräder fährt, die in einer Art Tank noch mit Kohle und offenem Feuer durch Dampf angetrieben werden. Kein Wunder also, dass hin und wieder eines dieser Gefährten schlichtweg explodiert. Warum man sich die bereits vorhandene Elektrizität nicht zu Nutze macht ist die Frage.

Die Einführung des Reporters George Purefoy ist auch ein schöner Schachzug des Autors. Purefoy ist ein sympathischer Kerl der Sir Newbury tatkräftig zur Hand geht. Newburys Ansinnen den Reporter zum Agenten der Krone auszubilden, ist zu begrüßen. Eine weitere helfende Hand könnte der Geschichte, und allen weiteren, nur gut tun. Das es zum Ende hin anders kommt, ist sehr schade. Hier hat der Autor meines Erachtens etwas an zukünftigem Potenzial verschenkt. Auch Amelia Hobbes ist wieder mit von der Partie. Nach ihrer Verlegung in die Klinik von Dr. Lucius Fabian, dem Leibarzt der Königin, trifft sie auf eine ihrer "Traumfiguren", dem Mann ohne Gesicht, in der Person von Mr. Calverton. Auch hier deutet sich eine weitere spannende Situation an. Allerdings würde der Autor gut daran tun, in dieser Hinsicht endlich mal die Karten auf den Tisch zu legen. Als Leser möchte ich endlich mal handfeste Beweise und nicht immer nur ominöse Andeutungen. Das die Visionen von Amelia noch wichtig werden könnten scheint festzustehen. Also, Herr Mann, kommen sie bei dem Thema endlich mal in die Pötte.

Ansonsten bleibt alles beim alten. Wie es sich für einen englischen Gentleman gehört, werden die anstehenden Geschäfte in der Regel immer erst nach einer Tasse Tee, vorzugsweise Earl Grey, in Angriff genommen. Captain Picard von der USS Enterprise hätte seine helle Freude. Abschließend bleibt zu hoffen, dass der Piper Verlag auch die beiden restlichen Newbury und Hobbes Bücher auflegt. Schön wär’s.
 


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